„Das ist die faustische Wette“

Interview mit Wolfgang Schäuble für The European.

Schäuble

Wolfgang Schäuble liebt Europa. Trotzdem hat er dem Kontinent einen strengen Sparkurs verordnet. Zusammen mit Alexander Görlach habe ich für The European mit dem Finanzminister über seine Politik der harten Hand gesprochen. 

The European: Herr Schäuble, gerade ist Europa durch seine wohl bislang größte Krise gegangen. Was sind für Sie die zentralen Lehren aus diesen Jahren?
Schäuble: Einzelne europäische Staaten können ihre Aufgaben in dieser global verflochtenen Welt nicht mehr erfüllen. Wir brauchen die europäische Integration. Früher haben wir sie mit „Nie wieder Krieg“ begründet, der Sicherung des Friedens und der Freiheit, heute ist die Globalisierung eine entscheidende­ Begründung. Sie bricht das Rege­l­ungs­­monopol des Nationalstaates auf, und die ­Politik verliert teilweise ihren Regelungsanspruch. Denn das Internet entzieht sich weitgehend staatlicher Regulierung, und globale Finanzmärkte sind auch nur sehr begrenzt durch den Nationalstaat zu beherrschen. Die Frage „Wer regiert wen?“ ist ­deshalb nicht nur eine für das Feuilleton.

The European: Sondern?
Schäuble: Diese großen Fragen sorgen dafür, dass wir neue Formen von Governance suchen müssen. Auch durch eine stärkere informelle Einbeziehung der ­Gesellschaften, wie wir das beispielsweise bei den großen UN-Konferenzen erleben: Das sind nicht mehr alles nur Regierungen, nur klassisch verfasste Politik, sondern ganz neue Formen.

The European: In der Krise lautete der Vorwurf oft, Europa habe zwar seine wirtschaftliche Integration vorangetrieben, die politische aber versäumt.
Schäuble: Die Wahrheit ist doch, dass die Bevölkerung zu ­einer Abgabe von Entscheidungskompetenzen an die europäische Ebene nur begrenzt bereit ist. So lange­ die europäische Union so verfasst ist wie derzeit, sind die Mitgliedsstaaten die Herren der Verträge. Das heißt, sie können Vertragsänderungen auch nur ­einstimmig beschließen, und damit ist der Spielraum sehr begrenzt.

The European: Was gegen die Reformfähigkeit der EU spricht.
Schäuble: Ich bin da nicht so pessimistisch. Der Fortschritt ist manchmal eine Schnecke, aber auch eine Schnecke bewegt sich. Krisen sind immer Chancen. Europa hat sich in Krisen immer voran bewegt. Das wird auch weiter so sein.

The European: Sehen wir es richtig, dass die Bereitschaft zu Reformen, die in der Krise vorhanden war, bereits deutlich nachgelassen hat?
Schäuble: Ich hoffe nicht. Wir haben in den letzten Jahren ­erhebliche Fortschritte gemacht und das institutionelle Geflecht für eine gemeinsame Finanz- und Wirtschaftspolitik gestärkt. Die Währungsunion bringt aber ganz spezielle Probleme mit sich.

The European: Welche?
Schäuble: Der Euro ist ökonomisch zwingend. Daraus resultiert die Notwendigkeit einer gemeinsamen Geldpolitik. Und dazu braucht es eigentlich auch eine ­gemeinsame Finanz- und Wirtschaftspolitik. Die ­allerdings ­haben wir nicht, sonst hätten wir eine ­politische Union.­ Deshalb wurde der Stabilitätspakt vereinbart, an den man sich nur hätte halten müssen. Deutschland und Frankreich haben ihn vor zehn Jahren aber zerstört. Jetzt reparieren und stärken wir ihn.

The European: Die Stimmen, die den Stabilitätspakt kritisieren, sind wieder lauter geworden.
Schäuble: Das stimmt, aber keiner meiner Kollegen in der Eurogruppe möchte den Pakt ändern. Das würde das Vertrauen in den Euro schwächen. Demokratie, ­Reformprozesse sind mühsam. Die Alternativen sind allerdings noch viel schlechter.

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